Berlin: Wie aus dem prächtigen Nollendorfplatz eine Scheußlichkeit wurde


Der Nollendorfplatz reiht sich ein in die Schmuckplätze im Süden Berlins. Von der Pracht ist nur noch wenig zu sehen. Die traurigen Reste des Nickelmannbrunnens zeugen etwa von dem früheren Zauber.

Eines ist der Nollendorfplatz sicherlich nicht: schön. Der „Nolli“ ist bekannt als Ausgehmeile und als Zentrum der homosexuellen Kultur in Berlin. Den sternförmigen Platz dominieren allerdings mehrspurige Straßen. Die übrigen Flächen kommen ebenso in Asphalt-Grau daher. Dazwischen hausen Feiernde, Obdachlose und Junkies. In der Platzmitte befindet sich die U-Bahn-Station. Auf dem Bahnhofsdach ist eine Lichtinstallation in Regenbogen-Fahnen installiert.

Der Nollendorfplatz war einmal schön. Angelegt wurde er im Jahr 1880 als Schmuckplatz, damals noch am Stadtrand gelegen. Der Platz gehörte zum „Generalszug“ in Charlottenburg, Schöneberg und Kreuzberg. Der Name bezeichnet die Schmuckplätze und Straßen, die einem Bebauungsplan gemäß hintereinander angelegt wurden. Sie tragen die Namen von Militärs und Orten, die im Krieg gegen Napoleon Bonaparte eine Rolle spielten.

Bizarre Wassergestalt

Der Nollendorfplatz geht zurück auf die gleichnamige Ortschaft, in dem Preußen 1813 eine Schlacht gewann. Zunächst befand sich in der Mitte des Schmuckplatzes eine bepflanzte Parkanlage. Sie blieb auch nach dem Bau des Bahnhofs um 1900 erhalten.

Im Jahr 1904 wurde unterhalb des neuen Viadukts der „Nickelmannbrunnen“ installiert. Er bestand aus einer bizarren Wassergestalt, aus der Wasser strömte. Das Becken war umsäumt von Grünflächen und Blumen (siehe folgende Bildergalerie).

Der Zweite Weltkrieg brachte viele Zerstörungen mit sich. Die von Bomben getroffene Kuppel des Bahnhofsgebäudes wurde notdürftig wiederaufgebaut. Konzeptionslose Nachkriegsbauten ersetzten die umliegenden Häuserruinen. In den 1970er-Jahren wurde der Nollendorfplatz für den Straßenverkehr massiv umgestaltet. Dieses Bild prägt bis heute den früheren Schmuckplatz.

Interessante Gebäude am Nollendorfplatz:

  • U-Bahn-Station Nollendorfplatz: Die Anlage wurde 1902 eröffnet. Sie besteht aus einem Hochbahnsteig sowie zwei unterirdische Etagen. Der Bahnhof ist die einzige Station, an der alle vier Berliner Kleinprofilbahnen halten. Die aufwendige Kuppel und die zahlreichen Schmuckverzierungen sind im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Während der deutsch Teilung wurde der Hochbahnsteig als Flohmarkt genutzt. Außergewöhnlich ist eine Gedenkhalle im Erdgeschoss. Sie erinnert an die Gefallenen der Hochbahngesellschaft im Ersten Weltkrieg. An der Bahnhofsfassade wurde 1989 eine Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus angebracht. Unter dem Hochbahnviadukt sind die kläglichen Reste des Nickelmannbrunnen zu sehen.
  • Beinahe nichts übrig ist von der Amerikanischen Kirche, die 1902 eingeweiht wurde. Sie diente den Gemeindemitgliedern der „American Church“. Der Bau an der Motzstraße orientierte sich an der Gotik, wurde im Krieg jedoch beschädigt und abgerissen.
  • Im Jahr 1906 eröffnete das Neue Schauspielhaus am Nollendorfplatz. Dort wurden Theaterstücke mit revolutionären Inhalten aufgeführt. Später diente es ebenso als Kino. Vor der Premiere des Films „Im Westen nichts Neues“ kam es 1930 zu Protesten der Nationalsozialisten. Bei der Aufführung drangsalierten SA-Männer die Besucher mit Stinkbomben und Beschimpfungen. Von dem eindrücklichen Gebäude ist nach dem Zweiten Weltkrieg nur das repräsentative Vorderhaus erhalten geblieben.

Übrigens: Das Buch „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner spielt in der Umgebung des Nollendorfplatzes.


Bewertung

Erlebnis: ★★☆☆☆

Atmosphäre: ★★★☆☆

Geschichte-Faktor: ★★★☆☆

Landschaft: ☆☆☆☆☆

Abgeschiedenheit: ☆☆☆☆☆

Abenteuer: ☆☆☆☆☆



Besichtigung und Wegbeschreibung

In Berlin mit der U-Bahn bis zur Station „Nollendorfplatz“. Ab dort eigene Erkundung. Es bietet sich ebenso ein Besuch des Bayerischen Viertels an.


Weitere Informationen

  • keine

Stand: 3.7.2021