Ein Schornsteinfeger bezwang die uneinnehmbare Festung Königstein


Mit starken Mauern thront die Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz auf einem Berg. Sie wurde nie eingenommen. Nur einem einzigen Mann gelang es jemals, in die Militäranlage einzudringen.

Die Aktion sorgte für Schlagzeilen: Als Sebastian Abratzky am 19. März 1848 mit letzter Kraft in schwindelerregender Höhe über die Brustwehr der Festung Königstein kroch, war ihm gelungen, was niemand für möglich gehalten hatte. „Ein harmloser Schornsteinfeger hat es vollbracht, wozu unermessliche Streitkräfte nicht in der Lage gewesen waren!“, schrieb das Pirnaische Wochenblatt.

Ihr Ruf eilte der Festung in der Sächsischen Schweiz voraus. Sie war nie von Feinden eingenommen worden. Mit ihren senkrechten Felswänden und dicken Mauern, hoch oben auf einem Tafelberg sitzend, galt sie schlicht als uneinnehmbar.

Sofort festgenommen

Der Königsstein zählt zu den größten Bergfestungen der Welt – und war daher nicht nur ein militärisches Bollwerk, sondern auch eine Attraktion. Sebastian Abratzky wollte die Anlage 1848 unbedingt besichtigen. Das Problem: Der 18-Jährige konnte das Eintrittsgeld nicht bezahlen.

Kurzerhand steig er in einen Felsspalt ein, den er entdeckte hatte, arbeitete sich empor wie er es in seinem Beruf als Schornsteinfeger gelernt hatte. Mehrmals drohte er, wie er später zugab, in die Tiefe zu stürzen. Erschöpft erklomm er schließlich die Brustwehr der Mauer – und wurde von den verdutzten Wachen kurzerhand in das Festungsgefängnis geworfen.

Die Postkarte aus dem Jahr 1907 zeigt den Abratzky-Felsen.
Die Postkarte aus dem Jahr 1907 zeigt den Abratzky-Felsen.(Foto: Brück & Sohn Kunstverlag Meißen/Public Domain)

Die Festung Königstein spielt in der Geschichte Sachsens eine wichtige Rolle. Entscheidend dafür war die strategische Lage, direkt an der Elbe gelegen, die ein damals ein bedeutender Handelsweg war. Eine Burg auf dem Tafelberg wird zum ersten Mal in einer Urkunde von König Wenzel I. von Böhmen im Jahr 1233 erwähnt. In einem weiteren Dokument von 1241 ist von „auf dem Stein des Königs“ die Rede – gemeint ist: der „Königstein“.

Aus dieser Frühzeit des Bollwerks ist heutzutage nur noch eine Burgkapelle erhalten geblieben. Sie wurde vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts erbaut. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte wurde die Wehranlage immer weiter ausgebaut, neue Gebäude entstanden, Mauern wurden eingezogen – bis die stärkste Festung Sachsens entstanden war. Heutzutage zeugen rund 50 Bauwerken von den verschiedenen Bauphasen.

Bau der Ringmauer

Folgend wird daher nur kurz auf die wichtigsten Ereignisse eingegangen. Der heutzutage immer noch zu bestaunende Brunnenschacht wurde zwischen 1563 und 1569 von Arbeitern in den Stein gehämmert, um die Versorgung mit Wasser auf dem Berg zu sichern. Das Loch endet in einer Tiefe von 152,5 Metern und ist damit der zweittiefste Burgbrunnen in Europa.

Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Bollwerk gezielt weiter verstärkt. Der bis dahin noch zerklüftete Berg wurde aufgefüllt, eine hohe Ringmauer mit Beobachtungstürmen eingezogen. Im Inneren entstand ein durchgehendes Plateau. Die Baumeister errichteten Kasernen und Kasematten.

Die Festung Königstein um das Jahr 1650
Die Festung Königstein um das Jahr 1650 (Bild: Foto des Kupferstichblatts © H.-P.Haack/freie Lizenz)

Nach dem Dreißigjährigen Krieg entstanden vor der Festung tiefer liegende Werke, die den Eingang vor Angreifern schützen sollten. Auf dem Berg entstanden allerdings genauso repräsentative Gebäude für den kurfürstlichen Hofstaat, darunter sogar Lusthäuser mit Festsälen. Zu Kriegszeiten zog sich der Adel auf die Festung zurück, die es ansonsten als Jagd- und Lustschloss nutzte.

In einer Festung muss man sich mitunter auf eine lange Belagerung vorbereiten. Vielleicht war dies der Grund, warum ein Weinfass errichtet wurde. Ein riesiges Holzfass wohlgemerkt, mit einem Fassungsvermögen von 240.000 Litern. Zimmermänner erbauten das Fass von 1722 bis 1725 in einem Keller der Festung, das als „Königsteiner Weinfass“ bekann wurde. Knapp 100 Jahre später war der hölzerne Koloss jedoch baufällig und wurde abgetragen.

Schutzlos trotz starker Mauern

Nach der Gründung des Deutschen Reichs wurde der Königstein als einzige sächsische Festung in das Verteidigungssystem des Reichs eingegliedert. Die Wehrtechnik schritt rasant voran. Die Festung erhielt noch acht moderne Geschütze als Verstärkung.

Gleichzeitig jedoch schwand die militärische Bedeutung des Königsteins. Gegen die neu entwickelten Sprengstoffe, abgefeuert von modernen Geschützen, boten selbst dicke Mauern keinen Schutz mehr. Das jahrhundertealte Konzept der Festungsanlagen hatte ausgedient. Im Jahr 1913 wurde der Königstein aufgegeben. Die Lage auf dem Tafelberg, das massive Erscheinungsbild und der Nimbus der Unbezwingbarkeit umgibt die Festung jedoch noch heute.

Sebastian Abratzky in mittleren oder höheren Alter
Sebastian Abratzky in mittleren oder höheren Alter (Foto: Public Domain)

Bekanntlich ließ sich Sebastian Abratzky davon nicht abschrecken. Nach seiner Kletterei wurde er in eine Gefängniszelle geworfen. Auf der Festung bestand jahrhundertelang ein Staatsgefängnis, das erst 1922 aufgelöst wurde. Zwölf Tage verbrachte der 18-Jährige in Untersuchungshaft – bis ihn ein einberufenes Kriegsgericht entließ. Doch man war gewarnt. Nicht noch einmal sollte der Königstein bestiegen werden. Der Einstieg in die von Sebastian Abratzky gewählte Kletterroute sollte daher zugemauert werden.

Letztendlich entschied man sich, den Zugang mit Stacheldraht abzusperren. Heutzutage ist die Kletterroute als Abratzky-Kamin bekannt und kann legal geklettert werden. Nur eines müssen Abenteuerlustige beachten. Sie dürfen zwar hinaufklettern, müssen sich dann jedoch wieder abseilen. Das Übersteigen der Brustwehr ist immer noch verboten


Bewertung

Erlebnis: ★★★★★

Atmosphäre: ★★★★☆

Geschichtsfaktor: ★★★★★

Landschaft: ★★★★★

Abgeschiedenheit: ☆☆☆☆☆

Abenteuer: ☆☆☆☆☆


Besichtigung

Strecke: nach eigenem Ermessen

Dauer: Besichtigung mindestens 1,5 Stunden

Kondition: keine

Schwierigkeit: keine

Gefahren: keine

Beste Jahreszeit: immer



Wegbeschreibung

Anreise: Von Pirna kommend zur Stadt Königstein. Der Weg zur Festung ist ausgeschildert und führt zu einem kostenpflichtigen Parkplatz.

Start und Ziel: Parkhaus

Weg: Vom Parkhaus weiter zu Fuß bis zur Festung, rund 15 Minuten. Alternativ kann ein Shuttle-Service in Anspruch genommen werden. Die umfangreiche Festung nach eigenem Ermessen erkunden.

Hinweise: Idealerweise sollte die Ausstellung in der Georgenburg zuerst besichtigt werden, um einen Überblick über die Anlage und ihrer Geschichte zu bekommen. Die Anlage ist sehr groß und die Gebäude repräsentieren zahlreiche verschiedene Zeitabschnitte.


Weitere Informationen

Stand: 12.5.2021