Holocaust: Nach dem letzten Zug von „Gleis 17“ lebte in Berlin kein einziger Jude mehr


Das „Gleis 17“ erinnert an die Deportation der jüdischen Bevölkerung in Berlin. Vom Bahnhof „Grunewald“ starteten im Dritten Reich die Züge in die Todeslager. Nach dem Krieg gestaltete sich das Gedenken zunächst schwierig.

Ein Schild in der Unterführung unter der Berliner Station „Grunewald“ weist auf ein „Gleis 17“ hin. So viele Gleisstränge gibt es an diesem S-Bahn-Halt doch nicht, mag man sich denken. Doch ein Gleis 17 gab es in der Vergangenheit.

Im Dritten Reich zählte der Bahnhof zu einem von drei Orten, an denen die jüdischen Bewohner Berlins in Züge getrieben wurden. Gleiches geschah am Anhalter Bahnhof und dem Güterbahnhof Moabit, dem größten der Deportationsbahnhöfe.

Endstation Auschwitz

Stellvertretend für diese drei Orte ist das Gleis 17 ein Mahnmal, ein Ort der Erinnerung. Es besteht aus in den Schotter eingelassenen Stahlplatten. Auf ihnen sind die einzelnen Transporte vermerkt, mitsamt Datum, Anzahl der Deportierten und Zielort.

Mehr als 50.000 Menschen jüdischen Glaubens wurde in der Nazi-Zeit aus Berlin nach Osteuropa deportiert. Zunächst fuhren die Züge zu den Gettos in Riga, Warschau und dem heutigen Lódz. Später endeten die Transporte ausschließlich in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau und Theresienstadt.

Tafel entwendet

Eine erste Gedenktafel, initiiert von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Westberlin, wurde 1953 am Signalhaus angebracht. Bemerkenswert: Die Polizei störte die Zeremonie, vermutlich weil der Bund als kommunistisch angesehen wurde. Die Tafel verschwand später.

Eine zweite Gedenktafel, 1973 angebracht, wurde 1986 gestohlen. Ein Jahr später installierte eine Frauengruppe der evangelischen Gemeinde Grunewald mehrere Messingplatten (Aufschrift: „Wir erinnern / 18. Okt. 41 / 18. Okt. 87“). Ebenfalls 1987 wurde eine weitere Gedenkplatte am ehemaligen Stellwärterhaus angebracht.

Campus geplant

Erst im Jahr 1991 entstand ein Mahnmal auf Initiative des Bezirks Wilmersdorf, das dauerhaft an die Deportationen am Bahnhof Grunewald erinnert. Dafür gestaltete der polnische Künstler Karol Broniatowski eine Betonmauer, in der Löcher in Form menschlicher Gestalten klaffen.

Der heutige zentrale Erinnerungsort, das Mahnmal Gleis 17, wurde 1998 enthüllt. Für die Gedenkstätte ließ die Deutsche Bahn die Bausubstanz der verfallenen historischen Bahnsteigmauern sichern und den abgetragenen alten Bahnsteig nachbauen. Das Denkmal soll nicht nur an die deportieren Juden erinnern, sondern ebenso an die Rolle der Reichsbahn im Holocaust.

In der Zukunft soll in der Nähe des Mahnmals ein „Gedenk-Campus“ entstehen, auf Initiative der Moses-Mendelssohn-Stiftung. Sie will dabei die Erforschung der Gedenkkultur in den Mittelpunkt stellen. Auf dem Areal sollen ebenso Studentenwohnungen entstehen.


Bewertung

Erlebnis: ★☆☆☆☆

Atmosphäre: ★★★☆☆

Geschichtsfaktor: ★★★★☆

Landschaft: ☆☆☆☆☆

Abgeschiedenheit: ★★☆☆☆

Abenteuer: ☆☆☆☆☆


Besichtigung

Strecke: keine

Dauer: nach eigenem Ermessen

Kondition: keine

Schwierigkeit: keine

Gefahren: keine

Beste Jahreszeit: immer



Wegbeschreibung

Anreise: In Berlin entwedet mit dem Auto zur Adresse „Am Bahnhof Grunewald 1, 14193 Berlin“ oder mit der S-Bahn bis zur Haltestelle „Grunewald“. In der Unterführung ist das Gleis 17 ausgeschildert.

Start und Ziel: –

Weg: –

Hinweise: Ein weiterer Erinnerungsort ist der Güterbahnhof Moabit, damals ebenfalls Deportationsbahnhof. Am ehemaligen Zugang (Quitzowstraße 18-21, 10559 Berlin) sowie auf der Putlitzbrücke erinnern eine Info-Stele und ein Mahnmal an die Deportationen.


Weitere Informationen

Stand: 16.5.2021